Halle hat seinen eigenen Trump, und der heißt Wiegand

“Als regelmäßige Zuschauerin der täglichen Pressekonferenzen des Oberbürgermeisters mache ich seit dem Moment, wo er massiv unter Kritik geriet, eine interessante Beobachtung. Er ähnelt immer mehr Donald Trump, insbesondere im Umgang mit den Medien. Die tägliche Pressekonferenz (machte auch Trump) nutzt er, um sich selbst und seine Arbeit zu loben (so wie Trump). Die Zahlen, die er nicht mal fehlerfrei vorlesen kann, reichen auch in einer täglichen Pressemeldung verschickt. Als jetzt Kritik an seinem Netzwerk aus Impfgünstlingen öffentlich wurde, passte ihm das gar nicht. Anstatt auf die (endlich mal) konsequenten Nachfragen der Journalisten zu antworten, diskreditiert er den Fragesteller und die Frage an sich als unverschämt, unzulässig etc. Auch das machte Trump. Wenn ich mir seine Antwortversuche auf ganz konkrete Fragen so anhöre, wo er Dinge behauptet, die längst widerlegt sind (z.B. dass es niemanden gab, der bereit war, geimpft zu werden an dem Tag und er sich deshalb opfern musste), denke ich an den Begriff “alternative Fakten” oder auch Fake News. Und wieder sind wir bei Trump. Ich glaube fast, dass er es scheinbar wirklich nicht versteht, warum die Reaktionen der Menschen so heftig sind. Wo ist sein moralischer Kompass? Würde er wie die anderen kommunalen Vertreter aus anderen Landkreisen Reue zeigen, den Fehler eingestehen und die Menschen um Entschuldigung bitten, wäre die Sache längst gegessen. Schließlich ist er ja nicht der Einzige, der sich Privilegien herausgenommen hatte in der Impfreihenfolge. Aber nein, er macht keine Fehler und alle anderen sind doof und ich warte nur noch auf die Mär der Rache der Wahlverlierer. Die Leier kam ja in seiner ersten Wahlperiode auf jede Kritik. Das Prinzip hier das gleiche. Passt Dir die Kritik nicht, verunglimpfe das Motiv des Kritisierenden und schon musst du dich zur Sache nicht äußern.
Ein Wort noch zu den geimpften Stadträten. Wie kann man nur so selten naiv sein und dem OB auf den Leim gehen? Der OB hat keine Geschenke für den Stadtrat. Nie. Er hält den Stadtrat für ein lästiges Übel, das seine Alleinherrschaft behindert. Die Stadträte mit ins Boot zu holen diente einzig und allein der Schaffung von Mitwissern und Mittätern. Das Kalkül dahinter: wenn sie mit drin stecken, können sie ihm nicht ans Bein pinkeln. Und es scheint ja aufzugehen. Die Fraktionen mit geimpften Stadträten sind etwas zurückhaltend in der Kritik, weil sie ja nun selbst Dreck am Stecken haben. Dreck, den sie sich naiv und blind vom halleschen Trump haben anheften lassen. Mir kann keiner erzählen, dass er den Überblick nicht hat, welche Altersgruppe gerade dran ist mit Impfen, wie Herr Menke behauptet. Die Medien sind voll von Berichten vergeblicher Terminbemühungen für Hochbetagte. Und als Jurist sollte er auch wissen, Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Und wem nicht auffällt, dass ein derart frühzeitiges Impfangebot außer der Reihe nicht zumindest ein Geschmäckle hat, der sollte dringend seinen eigenen moralischen Kompass hinterfragen. Und es handelt sich hier mitnichten um systemrelevante Personengruppen, wie Wiegand behauptet. In Hochzeiten der Pandemie fand überhaupt kein Stadtrat statt und er regierte allein und fand es großartig. Und auch sein ganzer Pandemiestab ist nicht unersetzlich. Schließlich setzen sich die Personen dort nicht aufgrund besonderer Kompetenzen zusammen, sondern weil sie im Rahmen des Günstlingsnetzwerks des OB in ihre jetzige Positionen gekommen sind und nicht etwa, weil sie besonders geeignet sind. Dass deren Arbeit offensichtlich nicht gut ist, zeigt schon allein die Tatsache, dass es passieren konnte, dass seit Impfbeginn und bei so wenig Impfungen immerhin fast 600 Impfdosen drohten entsorgt zu werden und daher an Leute verimpft werden mussten, die noch nicht dran waren.
Es geht ja nicht nur um den OB oder die 7 Stadträte oder den Pandemiestab. Es handelt sich um fast 600 Impfdosen! Das nenne ich ein glasklares Organisationsversagen der fürs Impfen zuständigen Personen und an deren Spitze ist Wiegand. Er sollte hier nicht rumpoltern gegenüber Journalisten, die ihren Job machen, nämlich für Aufklärung eines Skandals zu sorgen. Er sollte sich einfach selbst aus der Verantwortung nehmen und zurücktreten. Denn die Schuhe sind ihm offenbar sowohl fachlich, als auch moralisch viel zu groß”, so Katja Raab.