Das Organisationstalent unseres halleschen Stadtrates und Freundes der FDP, Andreas Hajek, half uns bei der Beschaffung eines geeigneten Fahrzeugs, so dass der Tour in den Südwesten nichts entgegenstand. In der Delegation fuhren Dr. Hans-Dieter Wöllenweber, Andreas Hajek und unser Stadtmarketingchef Stefan Voß sowie meine Person, wodurch bereits eine gute Mischung gegeben war. Nachdem Stefan Voß noch bis Mittag mit der sächsischen Hanse befasst war, fuhren wir am Freitag zum Glück gegen den Reisestrom nach Baden. Nach unserem Eintreffen empfing uns der liberale Altbürgermeister Ullrich Eidenmüller. Gemeinsam leiteten wir den frühen Abend mit dem Schauen eines Spiels der Fußball EM ein, bevor weitere 6 Karlsruher, unter ihnen der Kreisvorsitzende und MdB Heinz Golombeck und die Fraktionsvorsitzende Rita Fromm, sowie der Bürgermeister Michael Obert eintrafen, um gemeinsam zu Abend zu essen.
Es entspannten sich hochinteressante Gespräche, auch wenn einige Süchtige versuchten, in den Nebenraum zum Fernseher zwecks Fußball-EM zu gelangen. Obwohl sich nur wenige Parteifreunde vorher kannten, kam sofort eine Atmosphäre der Vertrautheit und des gemeinsamen Grundverständnisses auf.
Am nächsten Morgen fingen wir gleich mit einem Arbeitsfrühstück an, um keine Minute ungenutzt verstreichen zu lassen. Trotz frühem Samstagmorgen saßen wir in guter Runde zu zwölft schnell in einem intensiven Erfahrungsaustausch. Das erste Thema war der Umgang mit städtischen Gesellschaften, ein Weg, den beide Städte unterschiedlich beschreiten. Als Hallenser berichteten wir unsere guten Erfahrungen mit der vollständigen Privatisierung aller Krankenhäuser, was die Karlsruher mit Erstaunen vernahmen, da sie gerade die wirtschaftliche Lage ihres Krankenhauses verbessern wollen. Hierzu konnte ich einiges aus meiner Erfahrung als Sozialminister beitragen. In beiderseitigem Interesse war die Diskussion um den steuerlichen Aspekt der Privatisierung von Zuschussbetrieben, beispielsweise der Bäder. Offensichtlich sieht jedes Finanzamt die Sache etwas anders. Wir Hallenser brachten noch das Problem der mangelnden Einflussnahme der gewählten Stadträte auf die Geschäftsgänge der kommunalen Unternehmen, was in Karlsruhe offenkundig keine Schwierigkeiten bereitet.
Anschließend nutzten wir die Chance, den Geschäftsführer des halleschen Stadtmarketings in der Gruppe zu haben, zu einem Vergleich Halle-Karlsruhe. Wenn ich die Fachleute richtig verstanden habe, ist die hallesche Lösung optimaler als die Kompetenzzersplitterung in unserer Partnerstadt. In der Diskussion konnte der Leiter der Internationalen Schule Karlsruhes, der ehemalige dänische Minister für Grönland und jetzige stellvertretende Gemeinderatsfraktionsvorsitze Tom Høyem seine ganz persönliche Sicht einbringen, die vielfach detaillierter ist, als man das als Deutscher sieht.
Erwartungsgemäß wurde die problematische Haushaltslage der Kommunen zu einem großen Diskussionspunkt, auch wenn Karlsruhe mit 290 Mio. EUR etwa sieben Mal so hohe Gewerbesteuereinnahmen hat, wie Halle. Große Bauvorhaben drückten den Haushalt unserer Partnerstadt, deren Vertreter mit dem Begriff „Kosten der Unterkunft“ wenig anfangen konnten, während unser Haushalt in dieser Position 75 Mio. EUR Ausgaben aufweist. Die Diskussion über Ausgabenkürzungen zeigte identische Probleme in den Städten, nämlich eine gefühlte Unmöglichkeit, Leistungen und Gewohntes auf den Prüfstand zu stellen und dafür Mehrheiten zu finden. Beim Thema Doppik herrschte beiderseits das gleiche Erlebnis großer Schwierigkeiten bei der Erstellung der Eröffnungsbilanz. Karlsruhe hat bereits vor 5 Jahren diese Form der Haushaltsführung gewählt und korrigiert seitdem jährlich die Eröffnungsbilanz. Erstaunt waren wir, dass in Baden-Württemberg keine Konzernbilanz, d.h. eine gemeinsame Abrechnung von Kommune und kommunalen Unternehmen erstellt werden soll. Damit besteht weiterhin die Verlockung, Schulden der Gemeinde in die Unternehmen zu verlagern. Zum Schluss versuchten wir uns klarzuwerden über die Folgen der jüngsten Vorhaben der GEMA, die mit ihrem Flächenmaßstab viele Freiluftveranstaltungen undurchführbar machen. Alles in allem war es ein intensiver, interessanter Erfahrungsaustausch, der beiden Partnern neue Ideen gebracht hat, aber auch gemeinsame Schwierigkeiten in der Kommunalpolitik aufzeigte.
Am Nachmittag nutzen wir die Gelegenheit, mit einem Wimpeltausch am Wildparkstadion, am sogenannten nackten Mann, die Spiele von HFC und KSC in der gemeinsamen Liga symbolisch anzukündigen. Durch Überreichung eines Fanshirts und eines Fanschals deuteten wir an, dass sich die Karlsruher warm anziehen mögen, wenn die Hallenser kommen. Unsere Kreisverbände und Fraktionen sind sich einig, dass es zukünftig zwei Gründe mehr gibt, sich gegenseitig zu besuchen und Stefan Voß entwickelte gleich ein Konzept für Kulturreisen von Karlsruher Fußballfans nach Halle. Dieses Ereignis fand auch Eingang in die Zeitungen beider Städte. Der Fahrer des KSC-Busses ist im Übrigen Mitglied der Karlsruher FDP.
Der Abend gehörte dann dem gemeinsamen Fußball-EM-feiern. Das Spiel Deutschland gegen Portugal verfolgten wir in einer spanischen Gaststätte, die von einem Italiener geleitet wurde. Heute wissen wir, dass dies uns wohl hätte eine Vorahnung auf den weiteren Verlauf der EM geben sollen. Mit dem gemeinsamen Frühstück am Sonntag ging für uns ein interessantes Wochenende bei Freunden zu Ende und die Zusicherung, den persönlichen Kontakt wieder zu verstetigen, kam aus tiefstem Herzen.