Die Auftritte, die sich Teile des halleschen Stadtrates im Zusammenhang mit der Ehrung für Hans-Dietrich Genscher leisten, hinterlassen Fassungslosigkeit. In der Landeshauptstadt Magdeburg gelingt es, in nur einer Sitzung und einem Antrag eine Selbstverständlichkeit, nämlich die Benennung einer öffentlichen Straße nach diesem kürzlich verstorbenen Politiker, herbeizuführen. In Halle braucht der Stadtrat eine scheiternde Arbeitsgruppe über Monate, mehrere Rats- und Ausschusssitzungen, jede Menge öffentliches Gemetzel und am Ende kommt nichts dabei heraus, als das Zurücklassen verstörter Beobachter angesichts der Argumentationen, mit denen dabei agiert wird.
Die Namensgebung einer Schule liegt nach hier geltenden Gesetzmäßigkeiten in den Händen der Gesamtkonferenz, der Stadtrat hat lediglich die Aufgabe, die Namensgebung noch einmal zu bestätigen. Das hat den berechtigten Grund, dass sich eine Schule eben nicht mit einem Namen schmückt, der gesellschaftlich eben gänzlich inakzeptabel ist. Die Schüler und Lehrerschaft des Herdergymnasiums haben sich wochenlang mit Genscher beschäftigt, es gibt einen Bezug von ihm zur Schule, es gab ein demokratisches Verfahren innerhalb der Schule, das deutlich für die Namensänderung ausging. Und was machen Teile des Rates? Verweigern ihre Zustimmung, als sollte die Schule den Namen des Hallensers Reinhard Heydrich bekommen. Ist dies das Selbstverständnis eines Vertretungsanspruchs für ihre Bürger, das die betreffenden Räte da haben?
Die hallesche FDP hat sich in der bisherigen Diskussion weitestgehend zurück gehalten, um keine unnötigen Hürden aufzubauen, wenn jemand die unstrittigen persönlichen Leistungen Genschers mit seiner Parteizugehörigkeit verbinden sollte. Aber jetzt reicht es! Der Kreisvorsitzende der halleschen Liberalen Frank Sitta sagt dazu: „Die Diskussionen im Kulturausschuss sind der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Wo ist hier die Verhältnismäßigkeit, die gerade von den Verweigerern eingefordert wird?“ Die Liberalen werden sich mit den Organisationen, die sich bisher für eine Würdigung dieses halleschen Ehrenbürgers eingesetzt haben, zusammenschließen und im Vorfeld der entscheidenden Stadtratssitzung am 22. Februar vor dem Stadthaus eines Aktion dazu durchführen. „Ich rufe alle Hallenserinnen und Hallenser auf, um 13:30 Uhr dazu zu kommen und ihren gewählten Vertretern zu zeigen, in welcher Form sie sich eine Ehrung von Hans-Dietrich Genscher wünschen“, so Sitta. Katja Raab, die für die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung im Geburtshaus von Hans-Dietrich Genscher arbeitet, zieht Parallelen zur halleschen Geschichte. „Die Uneinigkeit des halleschen Rates hat die Stadt schon immer mehr behindert als nach vorne gebracht.“ 1478 wurde eben diese Uneinigkeit des Rates vom Magdeburger Erzbischof genutzt und er ließ seine Truppen in Halle einmarschieren. Die Stadt verlor daraufhin sämtliche Freiheitsrechte und das Messerecht nach Leipzig, die daraufhin und bis heute erblühte. „Man sollte doch eigentlich meinen, dass wir daraus gelernt haben. Aber das ist offensichtlich nicht der Fall. Ich lade Herrn Feigl und Herrn Bartsch zur Lektüre der Kondolenzbücher ein, in die sich die Menschen nach Genschers Tod eingetragen haben, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie die Menschen außerhalb des Universums Stadtrat die Verdienste Hans-Dietrich Genschers sehen“, so Raab.
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